Erfinderische Tätigkeit
Eine Erfindung weist eine erfinderische Tätigkeit auf, wenn sie für den Fachmann nicht naheliegend ist. Die wesentlichen Voraussetzungen zur Patentfähigkeit sind Neuheit und erfinderische Tätigkeit. Eine erfindung wird zunächst auf Neuheit geprüft, erst in einem zweiten Schritt wird die erfinderische Tätigkeit einer Erfindung bewertet.
Hier finden Sie den Artikel 56 EPÜ:
Art. 56 EPÜ »
Hier finden Sie den Abschnitt G IV, 5 der Richtlinien des EPA:
Art. 56 EPÜ »
Hier finden Sie die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 2/98:
G 2/98 »
Stand der Technik
Der Stand der Technik sind sämtliche Dokumente, die vor dem Anmeldetag der zu prüfenden Patentanmeldung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Hierbei zu beachten ist, falls eine Priorität wirksam in Anspruch genommen wurde, gilt der Prioritätstag als Anmeldetag. Es ist möglich, dass der Stand der Technik ausschließlich aus dem einschlägigen allgemeinen Wissen besteht.
T 172/03 »
T 939/92 »
Fachmann
Das Patentamt geht bei der Bewertung der erfinderischen Tätigkeit von einem durchschnittlichen Fachmann auf dem jeweiligen Gebiet aus. Es wird davon ausgegangen, dass der Fachmann über durchschnittliche Kenntnisse und Fähigkeiten und über ein durchschnittliches fachliches Können verfügt.
T 4/98 »
T 143/94 »
T 426/88 »
Außerdem wird davon ausgegangen, dass er die Dokumente des Stands der Technik, die recherchiert wurden, kennt. Zusätzlich wird davon ausgegangen, dass der Fachmann über die üblichen Mittel und Fähigkeiten für routinemäßige Arbeiten und Versuche verfügt. Es kann Gegenstände von Erfindungen geben, bei denen nicht von einer einzelnen Person als Fachmann auszugehen ist, sondern von einem Personenpool, deren gemeinsames Wissen und Können als Ausgangspunkt der Bewertung der erfinderischen Tätigkeit dienen sollte. Beispielsweise kann können Forschungs- oder Produktionsteams als relevanter Fachmann angesehen werden.
T 60/89 »
T 694/92 »
T 373/94 »
Naheliegen
Es ist für jeden Patentanspruch zu prüfen, ob aus dem Stand der Technik sich der Anspruch naheliegend ergeben hätte. Hierzu ist typischerweise der problem-solution-approach zu verwenden. Ergibt sich auch nur ein Teilaspekt des Gegenstands des Anspruchs naheliegend, so ist der betreffende Anspruch nicht erteilungsfähig.
G VI, 3 »
Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist die Erfindung als Ganzes zu sehen. Es ist keinesfalls statthaft, die Erfindung in einzelne Merkmale zu zerlegen und deren erfinderische Tätigkeit zu bewerten. Insbesondere ist es nicht zulässig, eine Bewertung der einzelnen Merkmale vorzunehmen und hierbei zu einer jeweils mangelnden erfinderischen Tätigkeit zu gelangen und dann daraus zu schließen, dass es sich bei der Gesamtheit der Merkmale, die die Erfindung ergibt, ebenfalls um einen Gegenstand handelt, der sich durch eine mangelnde erfinderische Tätigkeit auszeichnet. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Kombination zu einer vollkommen anderen Bewertung der erfinderischen Tätigkeit führen kann. Insbesondere kann der Fall vorliegen, dass gerade die geschickte Kombination von für sich banalen oder naheliegenden Merkmalen zur erfinderischen Tätigkeit führt, da aus einer Vielzahl von Merkmalen gerade diese gewählt wurden, die in besonderer Weise den erfinderischen Effekt ergeben. Insbesondere kann erwartet werden, dass sich durch eine besondere Kombination naheliegender Merkmale ein Synergieeffekt derart ergibt, dass sich ein überraschender überragender Vorteil ergibt. Ein illustratives Beispiel ergibt sich durch Widerstände, Kondensatoren und Transistoren, die für sich gesehen als durchaus bekannt anzunehmen sind. Eine geschickte Kombination von Widerständen, Kondensatoren und Transistoren kann jedoch zu einer Schaltung führen, die sich durch besondere neue und erfinderische Eigenschaften auszeichnet.
G VII, 5.2 »
T 389/86 »
T 204/06 »
Ex-post-facto-Analyse
Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist dahingehend Vorsicht geboten, dass eine Erfindung, die simpel erscheinen mag, dennoch erfinderisch sein kann. Eine derartige Ex-post-Betrachtung, bei der also nach Kenntnis der Erfindung die Einfachheit und damit eine mangelnde erfinderische Tätigkeit angenommen wird, ist zu vermeiden. Im Nachhinein mag vieles logisch erscheinen, was zuvor überhaupt nicht naheliegend war. Es ist daher stringent der Stand der Technik zu bewerten und ausgehend von diesem zu prüfen, ob mit diesem und unter Einschaltung des durchschnittlichen fachlichen Könnens zur Erfindung gelangt werden konnte. Ein Indiz für eine derartige Situation kann ihm das Auftreten eines überraschenden Effekts oder Extra- und Bonuseffekte dienen.
G VII, 10.2 »
Indizien für erfinderische Tätigkeit
Ergibt eine Erfindung eine vorhersehbare Verschlechterung gegenüber einem Stand der Technik, kann nicht von einem erfinderischen Beitrag aufgrund der Verschlechterung gesprochen werden.
T 119/82 »
T 155/85 »
Eine rein willkürliche Kombination von Merkmalen kann ebenfalls nicht zu einer erfinderischen Tätigkeit führen, wenn sich durch die Kombination der Merkmale nicht ein besonderer Effekt einstellt.
T 72/95 »
T 939/92 »
Eine unerwartete technische Wirkung stellt ein klares Indiz für eine erfinderische Tätigkeit dar. Die besondere technische Wirkung muss sich aus den technischen Merkmalen des Anspruchs ergeben. Ist die technsiche Wirkung bereits aus anderen Merkmalen im Stand der Technik beschrieben, ergibt sich die technische Wirkung insbesondere bereits durch ein Weglassen von einzelnen Merkmalen des Anspruchs, kann nicht von einer erfinderischen Tätigkeit ausgegangen werden. Die besondere technische Wirkung muss präzise beschrieben sein. Allgemeine Floskeln wie „es ergeben sich diverse positive Effekte“ genügen nicht.
Löst die Erfindung eine technische Aufgabe, die bereits seit einiger Zeit von der Fachwelt nicht gelöst werden konnte, stellt dies einen Hinweis auf das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit dar. Ein kommerzieller Erfolg kann ebenfalls ein entsprechender Indiz sein. Allerdings muss hierzu der kommerzielle Erfolg tatsächlich auf die Merkmale des Anspruchs zurückzuführen sein und nicht etwa aufgrund der überragenden Marketinganstrengungen des betreffenden Unternehmens.